Schweinfurt: Industriegeschichte trifft Kunst & Straßenmusik
Kunsthalle Schweinfurt

Die Reise nach Schweinfurt führt mich in eine fränkische Stadt, die sich durchaus signifikant von den anderen Metropolen der Region unterscheidet. Kein Dom, keine Residenz, keine prunkvollen Bauten aus Barock oder Renaissance schmücken das Stadtbild und das obwohl man sich lediglich 40 km von Würzburg und 60 km von Bamberg entfernt befindet – beides Orte mit enorm hoher Dichte an UNESCO Weltkulturerbe-Stätten. Der Hauptgrund dafür waren die Zerstörungen während des Markgrafenkrieges im 16.Jahrhundert, die das mittelalterliche Schweinfurt leider Stück-für-Stück verschwinden ließen.

Mit einer gehörigen Portion Sturheit gegenüber dem Fürstbischof von Würzburg wollten sich die Bewohner der Freien Reichsstadt aber nicht ohne Weiteres von ihrer mondänen Nachbarstadt vereinnahmen lassen, sondern haben „ihr“ Schweinfurt lieber eigenhändig in wenigen Jahrzehnten wieder aufgebaut. Und selbst heute sagt man den Schweinfurtern noch nach, dass sie etwas eigensinniger sind als ihre Nachbarn und sich nicht so einfach unterkriegen lassen. Aus dieser Zeit stammt auch das große Rathaus, eines der wichtigsten profanen Renaissance-Bauwerke in Süddeutschland.

Rathaus Schweinfurt

Nach dem 2. Weltkrieg wurde Schweinfurt ebenfalls ziemlich schnell wieder aufgebaut. Architektonische Schönheit stand dabei nicht unbedingt im Fokus. Schweinfurt ist vordergründig eine Industriestadt, und selbst aus Sicht der Einwohner ein wenig grau und auf den ersten Blick eher unspektakulär – dafür aber eine der wichtigsten Industriestädte Deutschlands. Mit Firmen wie FAG Kugelfischer, ZF Sachs (heute ZF Friedrichshafen AG) oder SKF verbucht die “Kugellagerstadt” eine der höchsten Jobdichten bundesweit.

Restaurierte Hinterhöfe & versteckte Ecken

Doch spätestens auf den zweiten Blick entdeckt man hier so manche schmucke Ecke: Vor allem was die Kunst- und Kulturszene anbelangt, hat Schweinfurt einige Asse im Ärmel. Denn bei allem Traditionsbewusstsein hat sich die ehemals triste Industriestadt gerade über die letzten beiden Jahrzehnte in eine moderne und multikulturelle Stadt entwickelt. Die Altstadtsanierung in den 1970er/80er Jahren hat einige vergessene Ecken und Viertel wieder aufleben lassen. Dabei wurden z. B. viele verwahrloste Hinterhöfe hergerichtet und zugänglich gemacht, wodurch in zentraler Lage ganz neue (Stadt-)Oasen der Ruhe für Bürger jeglichen Alters geschaffen wurden.

Hinterhöfe Schweinfurt

Das Wahrzeichen der sanierten, südlichen Altstadt ist der von Balthasar Rüffer III. erbaute Schrotturm. Dieser wurde 1611 als Treppenturm eines Renaissance-Wohnhauses errichtet, im 19.Jahrhundert zur Herstellung von Schrotkugeln genutzt und im Zuge dessen um fünf Stockwerke erweitert. So entstand in Schweinfurt die einzige Schrotfabrik weltweit, die ursprünglich gar nicht als solche konzipiert wurde, sondern aus einem ehemaligen Wohnhaus hervorgegangen ist. Während des 2.Weltkrieges ziemlich in Mitleidenschaft gezogen, wurde der Schrotturm im Zuge der Altstadtsanierung komplett restauriert, ist im Rahmen von Führungen öffentlich zugänglich und bei Nacht entsteht durch die Innenbeleuchtung der Eindruck der Turm sei sogar heute noch bewohnt.

Schrotturm Schweinfurt Schrotturm SChweinfurt

Die “Zürch” ist seit der Sanierung in 1980er/90er Jahren eines der schönsten wiederbelebten Zeugnisse mittelalterlicher und reichsstädtischer Vergangenheit. Ruhige, verwinkelte Gassen, neuverlegte Pflastersteine, renovierte historische Wohnhäuser und ehemalige Handwerkerhäuser machen diesen Teil von Schweinfurt zu einem kleinen innerstädtischen Idyll.

Zürch Schweinfurt

“Industrie & Kunst”: Neues Image

Was Schweinfurt aus der Reihe seiner fränkischen Nachbarstädte besonders hervortreten lässt, ist definitiv der Mix aus Industrie und Kunst.

Museum Georg Schäfer: preisgekrönter Bau

Das Museum Georg Schäfer beispielsweise beeindruckt mich schon alleine aufgrund seines imposanten Baus, dessen Architektur auch drinnen die moderne Atmosphäre prägt.

Museum Georg Schäfer

Die Ausstellungsstücke wurden von dem Schweinfurter Industriellen Georg Schäfer zunächst persönlich zusammengetragen und später von seinen Erben in eine Stiftung eingebracht. Das preisgekrönte Museum wurde im Jahr 2000 eingeweiht und beherbergt seitdem die bedeutendste Privatsammlung des 19. Jahrhunderts aus dem deutschsprachigen Raum, sowie Kunstwerke und bedeutende Gemälde noch zu entdeckender Meister. Damit befindet sich das Museum Georg Schäfer sowohl im nationalen, als auch internationalen Vergleich auf Augenhöhe mit der Sammlung englischer Kunst in der Tate Britain und deutscher Kunst in der Alten Nationalgalerie in Berlin oder der Neuen Pinakothek in München.

Führungen finden jeden Donnerstag ab 19 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertag ab 15 Uhr statt und kosten 2,50 Euro zzgl. Eintritt.

Direkt gegenüber befindet sich ein weiteres markantes Gebäude, dessen Fassade Historie und Moderne verschmelzen lässt: Der Ebracher Hof (beherbergt dieser Tage die Schweinfurter Stadtbücherei).

Ebracher Hof Ebracher Hof

Kunsthalle: Vom Hallenbad zur Kunststätte

Die Kunsthalle begeistert mich vor allem aufgrund ihrer einmaligen Entstehungsgeschichte: Der Schweinfurter Unternehmer Ernst Sachs hat dieses Gebäude den Bürgern seiner Heimatsstadt nämlich ursprünglich als Hallenbad geschenkt – seinerzeit eines der ersten Schwimmbäder Schweinfurts. Und den meisten Einwohnern bis hinein in meine Generation ist die Kunsthalle immer noch als das ehemalige Ernst-Sachs-Bad bekannt. Denn dort ging man zu Schulzeiten wöchentlich zum Schwimmunterricht.

Kunsthalle Schweinfurt

Nach einem Neubau an anderer Stelle wurde das ehemalige Hallenbad in die heutige Kunsthalle umgewandelt und im Mai 2009 eröffnet. Der großzügige Raumzuschnitt, die beachtliche Raumhöhe von neun Metern sowie die neusachliche Architektur mit den tiefen Fenstern prädestiniert dieses Gebäude geradezu, Kunst darin zu präsentieren.

Kunsthalle Schweinfurt

Heute ist die Location insbesondere bekannt als Kompetenzzentrum für Kunst der klassischen Moderne in Franken und wurde 2011 für den Bayerischen Museumspreis nominiert. Im Erdgeschoss befindet sich die Dauerpräsentation unter dem Motto “Wegmarken” – mit Gemälden, Skulpturen und Installationen zur Kunst in Deutschland nach 1945.

Kunsthalle Schweinfurt Kunsthalle Schweinfurt

Das Untergeschoss gibt einen Überblick über Kunstschaffende und Künstler des Expressiven Realismus und in der ständigen Ausstellung sind die Hauptwerke von Joseph Hierling zu bestaunen. Ergänzt werden die Werke von wechselnden Ausstellungen, die Kunst aus dem 20. und 21. Jahrhundert bis in die Gegenwart zeigen.

Kunsthalle Schweinfurt

Führungen gibt es jeden Sonntag ab 11 Uhr . Dauer: ca.1 Stunde, Preis: 1,50 Euro plus Eintritt

In der Kunsthalle finden zusätzlich auch Veranstaltungen statt: z. B. Teile des Musikfestivals “Nachsommer Schweinfurt” mit Film, Theater, Tanz, Literarischem, Vokalem und Instrumentalem – jeweils Mitte September.

Weitere Kunststätten in Schweinfurt

Die Ausstellungshalle im Rathaus wird jährlich Schauplatz für sechs bis acht Kunstausstellungen. Dort haben auch kleinere, noch unbekannte Künstler & „normale“ Bürger die Möglichkeit ihre Werke zu präsentieren.

Ein weiterer ungewöhnlicher Kunstort ist das Alte Gymnasium, das seit 1934 Heimat eines Museums ist. Rundum den Martin-Luther-Platz entsteht zudem eine neue Attraktion: Das alte Stadtmuseum wird gerade entkernt und wird sich nach der Neueröffnung in voraussichtlich zwei bis drei Jahren dem Thema ´Industriegeschichte´ widmen.

Martin-Luther-Platz Schweinfurt

Auch die Nacht der Kultur ist eine einmalige Gelegenheit die Kunstvielfalt Schweinfurts zu bestaunen: Passend zur jeweiligen Kunstrichtung holen sich die Häuser Musik ihre Hallen. Sogar thematisch passende Koch-Events in verschiedenen Museen sorgen für Abwechslung.

Kunst und Kultur auf der Straße

Mit dem Pflasterklang steht in Schweinfurt jedes Jahr Anfang September ein buntes Straßenmusik-Festival auf dem Programm, das die ganze Innenstadt zum Tanzen bringt – mit über 40 Liedermachern, Künstlern und Gruppen aus Schweinfurt, Bamberg, Nürnberg, Bad Griesbach bis nach Leipzig und Berlin. Insgesamt 20 Plätze werden von den Künstlern im Rotationsprinzip bespielt. Gitarrenklänge, Didgeridoos, Trommeln tönen durch die Straßenzüge – ganz ohne Verstärker.

Die Live-Musik, egal ob Folk, Jazz, Rock, Pop oder Klassik ist handgemacht und die Pflastersteine bilden die Bühne für die Künstler. Eine Gage im eigentlichen Sinne erhalten die Musiker nicht, sie freuen sich vielmehr über jedes Klingeln in ihren Hüten und Instrumentenkoffern. Selbst Straßentheater und Artistik kann man an einigen Ecken bestaunen.

Pflasterklang Schweinfurt Pflasterklang Schweinfurt

Abends spielen die Gruppen an der Gutermann-Promenade direkt am Mainufer im Licht der Straßenlaternen, Fackeln und Lampions. Wer jetzt Lust bekommen hat, kann sich 2018 schon auf das 20. Jubiläum des Straßenfestivals freuen.

RamaDama Schweinfurt

Parallel zum Pflasterklang lädt das “Rama Dama” zum Stöbern vor und in den Geschäften der Innenstadt ein: Über den „Cityflohmarkt“ bummeln, ein paar Schnäppchen machen und sich dabei entspannt von Live-Musik beschallen lassen – für mich eine perfekte Kombination – SWein gehabt, würde ich sagen… 😉


Dieser Artikel ist im Rahmen der Kampagne “Die Fränkischen Städte” in Kooperation mit dem Tourismusverband Franken entstanden. Insgesamt 14 Städte habe ich im Sommer 2017 bereist und dabei die schönsten Sommer Events der Region erlebt, natürlich immer mit Blick auf die Stadt selbst und ihre Besonderheiten.

Hier geht´s zu den Artikeln von:

Ansbach – Rokoko, Skulpturen & Ansbach Open

Aschaffenburg – afrikanisch-karibische Rhythmen, mediterrane Parks & hessisches Bebabbel

Bamberg – Mediterranes Flair in der Stadt auf sieben Hügeln

Bayreuth – Wagner, Wilhelmine, Weizen, Wurst & Wunderbares

Coburger Designtage & “CO”: Im Schmelztiegel von Design und Kultur

Dinkelsbühl – Heimatliebe, bunte Fassaden & #BasicGermanWords

Eichstätt – Zwischen Barock, Minimalismus und Romantik

Erlangen – Von Frankreich bis zum Nordseestrand: Wie ein Besuch in Erlangen zum Kurzurlaub wird

Fürth(er) – Kleeblatt, Kärwa & Kultur

Kulmbach – Gelebte Biergeschichte & fränkische Tapas

Nürnberg – Stadtoasen & meine Lieblingsplätze in St. Johannis

Rothenburg ob der Tauber – Fränkische Romatik, anyone!? Auf asiatischen Spuren durch Rothenburg

Würzburg – maine Perle

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