Kleeblatt, Kärwa & Kultur: Ein Streifzug durch Fürth

Eine Vielzahl außergewöhnlicher Kulturorte, die schmucke Innenstadt und Süddeutschlands größte Straßenkirchweih – Fürth ist viel mehr als nur die Nachbarstadt von Nürnberg, deren Stadtgrenzen fließend ineinander übergehen. In Fürth ist so Einiges geboten. Im Sommer sowieso, aber auch in der dunkleren Jahreszeit muss sich die Kleeblattstadt keineswegs hinter den fränkischen Metropolen  Nürnberg und Erlangen verstecken. In Fürth trifft sich die junge, alternative Künstlerszene, stolz ist jeder echte “Fädder” (= Einwohner Fürths) auf seinen Fußballverein (“Das Kleeblatt”) und zum Start in die Herbstsaison feiern die Fürther zusammen mit Gästen aus der gesamten Metroploregion ihre Michaelis-Kirchweih – im Volksmund “Fädder Kärwa”. Zwölf Tage lang geht es ausgelassen zu, denn stolz ist man hier auch auf deren jahrhundertelange Historie und den ganz besonderen Charakter.

“Fädder Kärwa”: Die Michaelis-Kirchweih

Nicht etwa auf einem separaten Festplatz, sondern mitten in der Innenstadt reihen sich Schausteller, Fahrgeschäfte, Buden und Marktstände aneinander. Jedes Jahr Ende September bis Anfang Oktober ist ganz Fürth auf den Beinen – und außer Rand & Band. Für die Michaelis-Kirchweih wird sogar die Hauptverkehrsstraße B8 gesperrt und das ist vollkommen ok. Für Anwohner sowieso und auch die Autofahrer müssen an diesen Tagen einfach eine andere Route nehmen. Knapp 6 km legen Besucher zurück, die die insgesamt 42.000 Quadratmeter große Kirchweih ablaufen möchten. Vom Königsplatz über die Königstraße, Fürther Freiheit bis zur Kirchenstraße finden sich große und kleine Fahrgeschäfte, Schießbuden, Ausschankbetriebe, Süßwaren-, Eis- und Imbissstände, fünf Vollgastronomie-Betriebe sowie 100 Händler. Und  nicht zu vergessen: Hunderte von “Kärwa-Aamerla” schlucken allerorts den Abfall, der während der zwölf Tage zwangsläufig produziert wird.

Michaelis-Kirchweih Kärwa Aamerla

“Grüner Markt”: Ursprungsort der Michaelis-Kirchweih

Doch bevor ich mich ins Getümmel stürze, besuche ich den ursprünglichen Ort der Michaelis-Kirchweih, den Marktplatz “Grüner Markt”.

Grüner Markt Grüner Markt

Zu ihren Anfangszeiten war sie nämlich eine Wirtshaus-Kirchweih. In der Markplatzmitte thronte der Kirmesbaum als Friedenssymbol und in den Gasthöfen rundherum spielte die Musik. Für Speis´ und Trank war damit gesorgt. Abends wurde zu Live-Musik in den Lokalen getanzt, ein Bierzelt gab es hier noch nie. Und auch heute noch machen genau diese verschiedenen Hütten mit ihren zahlreichen Sitzmöglichkeiten inmitten von Karussells, Achterbahn und Riesenrad den Charme der Michaelis-Kirchweih aus. An den Buden und Ständen wird ausgeschenkt was das Herz begehrt: Neben diversen lokalen Biersorten auch Wein und Federweißer. In den Gaststätten werden Schäuferla, Karpfen oder Schweinebraten kredenzt. Und donnerstags trifft man sich auf dem gesamten Kirchweihgelände zum “Feierabend-Gwerch”.

Fahrgeschäfte, Essensstände und ein bunter Jahrmarkt

Doch damit nicht genug: Hunderte Händler und Marktkaufleute versprühen einen ganz besonderen Charme, der das über 900 Jahre alte Fest zur “Königin der fränkischen Kirchweihen” macht. Buntes Jahrmarkt-Feeling kommt auf, als ich mich mit der Menschenmasse treiben lasse, vorbei an Hut- und Sockenständen, Haushaltswaren, Küchenutensilien und kulinarischen Köstlichkeiten aus den Partnerstädten. Einige herausragende Urgesteine wie der “Der billige Jakob” oder “Der Messer Moo” gehören als “local heroes” längst zum Inventar und sind wahre Publikums-Magnete.

Michaelis-Kirchweih http://www.michaelis-kirchweih.de/

Mit Sicherheit einer der Gründe, warum alle Altersschichten auf der Michaelis-Kirchweih vertreten sind und es gleichzeitig so friedlich zugeht. Hier ist für jeden etwas dabei: Während Omi die lang ersehnte neue Pfanne kauft, sich Vati die Messer schärfen lässt, fliegen die Kinder auf dem Kettenkarussell oder Riesenrad.

http://www.michaelis-kirchweih.de/ http://www.michaelis-kirchweih.de/

Die United KiltRunner sorgen dafür, dass auch die Menschen aus den Altenheimen mal auf die Kirchweih kommen. Mit ihnen unterwegs, werden Fürth´s Senioren vielerorts sogar kostenfrei bewirtet. Wochentags spazieren auch ganze Kindergartengruppen durch die Straßen und die Mitarbeiter der umliegenden Großkonzerne verbringen ihre Mittagspause gerne in stimmungsvoller Atmosphäre.

http://www.michaelis-kirchweih.de/index.php?id=134 Michaelis Kirchweih

Ihren Namen verdankt die Michaelis-Kirchweih übrigens der Kirche St. Michael, der ursprünglichen Dorfkirche, die am 29.9. – dem Michaelstag – geweiht wurde.

Kirche St. Michael Fürth

Jeweils am Freitag vor dem Start findet hier ein Schausteller Gottesdienst statt, denn sie sind es schließlich, die der Kirchweih ein Gesicht geben – und das teils schon seit mehreren Generationen. Zwei von ihnen treffe ich direkt an ihren Ständen:

Gesichter der traditionsreichen Kärwa

Bei Gabi Ulrich, Frau des Armen Ulrich, gibt es leckeren Federweißer und Zwiebelkuchen. Sie selbst ist bereits seit über 30 Jahren mit einem Stand auf der Kirchweih vertreten. Ihre Familie väterlicherseits kann auf eine 150 Jahre alte Schausteller-Tradition zurückblicken. „Mein Mann stammt aus der Familie, die das Karussell gegenüber betreibt“, erzählt sie uns lächelnd – und so hat man sich auch kennengelernt. Ein Leben ohne Kirchweih kann sie sich nicht vorstellen. Das Schausteller-Dasein ist ihre Berufung und Leidenschaft zugleich, von Kindheitstagen an.

Gabi Ulrich - Armer Ulrich Armer Ulrich

Die Familie Dölle kann sogar auf eine 240 Jahre alte Kärwa-Tradition zurückblicken. Helmut Dölle bildet die 10. Generation und ist heute Vorsitzender des Süddeutsche Schausteller Verbandes, Sektion Fürth. „Ich bin 56 Jahre alt und dies ist meine 56. Kirchweih“, scherzt er. Die Kirchweih hat sich natürlich immer wieder verändert. Waren es früher noch „Abnormitätenshows“, die die Menschen angelockt haben, um Siamesische Zwillinge, Kleinwüchsige oder Tiere zu bestaunen, kamen 1850 /1860 die Karussells dazu. Und heute ist die Michaelis-Kirchweih die größte Straßenkirchweih Süddeutschlands.

Erntedankfestzug: umjubelter Höhepunkt der Michaelis-Kirchweih

Traditionell den Höhepunkt der Michaelis-Kirchweih bildet am “Bauernsonntag”, dem jeweils letzten Sonntag der Veranstaltung, der Erntedank-Festumzug durch die Fürther Innenstadt. Sogar vom Bayerischen Fernsehen wird das 90-minütige Schauspiel jährlich live übertragen. Denn es handelt sich dabei nicht um irgendeinen Festzug, sondern ist eine wahre Ode an die Freude. Zurück geht die Geschichte des Umzugs nämlich auf die Missernten und damit verbundenen Hungersnöte zwischen 1815 und 1817. Als  im Sommer 1817 das spärlich vorhandene Saatgut wie durch ein Wunder anwuchs, konnten die Menschen damals wieder aufatmen und dankten der freudigen Wende mit einem reich geschmückten, hoch aufgeladenen Erntewagen, der zur Kirchweih durch die Stadt zog. Im Laufe der Jahre zu einem üppigen Erntedankfestzug weiterentwickelt, hat sich diese Tradition bis heute gehalten. Hier ein kleiner Vorgeschmack  – mehr davon gibt´s in der Fotogalerie “Michaelis-Kirchweih und Erntedankfestzug.

Erntedankfestzug Michaelis-Kirchweih Erntedankfestzug Michaelis-Kirchweih Erntedankfestzug Michaelis-Kirchweih Erntedankfestzug Michaelis-Kirchweih Erntedankfestzug Michaelis-Kirchweih

Highlight 2017: 360-Grad-Panoramablick über die Kirmes

Einen ganz besonderen Blick über Fürth und die Michaelis-Kirchweih eröffnete sich den schwindelfreien Kirmes-Besuchern 2017 vom CitySkyliner, dem mit 81 Meter höchsten und modernsten mobilen Aussichtsturm der Welt: ein 360-Grad-Panoramablick über das komplette Festgelände. Da erscheint einem sogar das Riesenrad winzig klein.

CitySkyliner Fürth CitySkyliner Fürth

Für alle, die auch außerhalb der Kärwa Fürth von oben sehen möchten, habe ich einen alternativen Tipp:

Hoch über den Dächern Fürths: Vom Rathausturm Stadt & Umland im Blick

Nachdem ich auf meiner “Tour de Franken” in den letzten Monaten schon so einige Kirch-, Schrot- oder Wachtürme erklommen habe, darf die Fürther Ausgabe natürlich nicht fehlen. Vom fast florentinisch anmutenden Rathausturm eröffnet sich mir nicht nur der Blick auf die historische Altstadt mit ihren kleinen Seitenstraßen, sowie die Neue Mitte, den Stadtpark und die Südstadt. Gut erkennbar sind auch noch die Nürnberger Kaiserburg, der Erlanger Berg und sogar bis auf die Anhöhen der Fränkischen Schweiz reicht die Sicht.

Fürther Rathausturm

Wer diesen wunderbaren Ausblick genießen möchte, kann dies im Rahmen einer Führung durch das klassizistische Amtsgebäude tun. Jeweils sonntags um 11 Uhr geht es los am Rathaus-Eingang in der Königstraße 88. 90 Minuten dauert die Tour und kostet für Erwachsene 7 Euro. Kinder bis zwölf Jahre dürfen kostenfrei mit. Das lohnt sich auf alle Fälle. Schon allein das Treppenhaus ist sehenswert und den Flur des ersten Stockwerkes zieren Portraits verdienter Fürther Persönlichkeiten.

Rathaus Fürth

Der Vorteil einer individuellen Tour, wie sie mir das Stadtmarketing Fürth ermöglicht hat, sind natürlich immer die exklusive Einblicke: Im repräsentativen Sitzungssaal fühle ich mich kurz wie eine amtlich gewählte Stadträtin höchstpersönlich.

Sitzungssaal Rathaus Fürth Sitzungssaal Rathaus Fürth

Kunst & Kultur in Fürth – diese Orte lohnen sich

Badstraße Acht: Café & Treff der Künstlerszene

Seinen Namen hat dieser für mich bisher noch unentdeckte Ort tatsächlich einem alten Flussbad zu verdanken: Das Schwimmbad, das bis in die 60er Jahre noch ein Freibad und damit ein ohne Eintritt frei zugängliches Bad war, entwickelte sich später zum Treffpunkt für die Kunst- und Kulturszene Fürths.

Kulturort Badstraße Acht

Der etablierter Künstlerort sollte zwischenzeitlich allerdings geschlossen werden. Eine Unterschriftensammlung von 800 Stimmen sorgte dann aber dafür, dass diese Begegnungsstätte unter zwei Bedingungen erhalten werden durfte: Es sollte ein öffentlich zugänglicher Kulturort werden und der Erhalt des Gebäudes musste garantiert bleiben. So kam es, dass der Kulturort Badstraße Acht seit 2005 existiert. Auf der “Karte der Badesaison” stehen dieser Tage Konzerte, Lesungen und Open Air Kino – zusätzlich locken wechselnde Ausstellungen Kunstinteressierte in die Badstraße Acht. Seit 2010 versorgt Isil Geyer im gemütlichen Café Badehaus mit Biergarten ihre Gäste u.a. mit leckeren selbst gebackenen Kuchen.

Café Badehaus

Im Sommer bleibt der Fluss am Kulturort auch seinen Ursprüngen aus den 50er und 60er Jahren treu: Zwar ohne angeschlossenes Bad wird auch heute noch/wieder im Fluss geschwommen. Bei meinem Besuch ist es dafür allerdings zu kalt. Dafür treffe ich die Künstlerin Kathrin Hausel, die mich spontan einlädt ihr Atelier zu besuchen. Ihre Bilder sind es, die im Oktober in der Badstraße Acht offiziell zu bewundern sind.

Kulturort Badstraße Acht Fürth Kulturort Badstraße Acht Fürth Kulturort Badstraße Acht Fürth

Das Kulturforum: ehemaliger Schlachthof heute Kulturstätte

Auch das Kulturforum ist ein nennenswerter Ort für Konzerte, Theater und auch Kindertheater in Fürth. Im Sommer findet im Innenhof Open Air Kino statt und das Programmkino “Uferpalast” spielt regelmäßig Produktionen abseits des Hollywood-Mainstreams.

Kulturforum Fürth Kulturforum Fürth

Auf dem Weg entlang der Uferpromenade zum Kulturforum ist es idyllisch. Dort findet sich auch der Interkulturelle Garten Fürths.

Interkultureller Garten Fürth

Altstadt: Urtümlichste Gasse und kleinstes Haus Fürths

Durch die berühmte Gustavstraße kommend, passiere ich die wohl schnuckeligste Ecke Fürths: Die versteckte Pfarrgasse ist eine der urtümlichsten Gassen der Stadt und ein sehr beliebtes Fotomotiv.

Waagstraße Fürth

Durch die Waagstraße stößt man auf den Waagplatz, der von Upcycling-Läden und dem kleinsten Haus Fürths geschmückt wird. Früher lebte hier kaum vorstellbar eine Familie mit 14 Kindern.

Kleinstes Haus Fürths

Auf dem Waagplatz findet jährlich der alternative Weihnachtsmarkt mit Kunsthandwerk statt und jeden Sonntagvormittag der Fürther Bauernmarkt.

Es gibt also richtig viel zu entdecken in der Kleeblatt-Stadt. Und die Metropolregion hat neben Nürnberg und Erlangen mit Fürth somit noch ein drittes Ass im Ärmel, das ihr euch auf gar keinen Fall entgehen lassen solltet wenn ihr nach Franken reist…


Dieser Artikel ist im Rahmen der Kampagne “Die Fränkischen Städte” in Kooperation mit dem Tourismusverband Franken entstanden. Insgesamt 14 Städte habe ich im Sommer 2017 bereist und dabei die schönsten Sommer Events der Region erlebt, natürlich immer mit Blick auf die Stadt selbst und ihre Besonderheiten.

Hier geht´s zu den Artikeln von:

Ansbach – Rokoko, Skulpturen & Ansbach Open

Aschaffenburg – afrikanisch-karibische Rhythmen, mediterrane Parks & hessisches Bebabbel

Bamberg – Mediterranes Flair in der Stadt auf sieben Hügeln

Bayreuth – folgt in Kürze

Coburger Designtage & “CO”: Im Schmelztiegel von Design und Kultur

Dinkelsbühl – Heimatliebe, bunte Fassaden & #BasicGermanWords

Eichstätt – Zwischen Barock, Minimalismus und Romantik

Erlangen – Von Frankreich bis zum Nordseestrand: Wie ein Besuch in Erlangen zum Kurzurlaub wird

Fürth(er) – Kleeblatt, Kärwa & Kultur

Kulmbach – Gelebte Biergeschichte & fränkische Tapas

Nürnberg – Stadtoasen & meine Lieblingsplätze in St. Johannis

Rothenburg ob der Tauber – Fränkische Romatik, anyone!? Auf asiatischen Spuren durch Rothenburg

Schweinfurt – Industriegeschichte trifft Kunst & Straßenmusik

Würzburg – maine Perle

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