Warum Brügge ein Zoo ohne Tauben ist - Roadtrip Belgien

Unser Aufenthalt in Brügge beginnt mit einem kleinen Schritt über´s Wasser, um in unsere Kajüte zu gelangen. Richtig gelesen: Kajüte: In Brügge wohnen wir auf dem Boot-Hotel “De Barge“, das auf dem Brügge-Gent-Kanal schwimmt. Wie passend, finde ich, denn Brügge ist von einem Wassergürtel eingerahmt, von zahlreichen Kanälen durchzogen und als Venedig des Nordens bekannt. Und wie Praktisch: Das Boot liegt außerhalb der alten Stadtmauern und somit des touristischen Zentrums. Das heißt wir schlafen, frühstücken und relaxen abseits der Touristenscharen und sind trotzdem mittendrin. Denn es ist nur ein kurzer Spaziergang durch den Minnewater-Park nötig und wir befinden uns im historischen Stadtzentrum von Brügge und verspüren das mittelalterliche Flair, das spätestens seit 2009 durch das Film-Drama “Brügge sehen und sterben” eng mit der belgischen Stadt verbunden ist.

Hotel De Barge Bruges

Bekannt geworden ist das Städtchen in Westflandern jedoch nicht erst 2009. Nachdem im 16. Jahrhundert die Hafenzufahrt nach Brügge versandet wurde und sich der Handel nach Antwerpen verlagert hatte, ist Brügge in einen Dornrösschen-Schlaf gefallen, aus dem es erst 1892 wieder erwacht ist. Grund für dieses Erwachen war ebenso ein künstlerisches Drama: Der Roman “Bruges la morte” (Das tote Brügge) von Georges Rodenbach, der Brügge als dunkel, arm und hässlich beschreibt.  Zwar fanden das die Bewohner von Brügge nicht ganz so lustig, doch die Touristen entdeckten darin eine gewisse Romantik und strömten somit immer öfter in das flämische Städtchen. 1975 eröffneten ein paar Hippies das erste eigenständige Hostel mit einem Dokumentationszentrum in Brügge. Von nun an gab es auch bei jungen Reisenden keinen Grund mehr das mittelalterliche Brügge nicht in eine Belgien-Reise aufzunehmen. Im Jahr 2000 erklärte die UNESCO die gesamte Innenstadt zum Weltkulturerbe und 2002 war Brügge sogar Kulturhauptstadt Europas. Und so kommt es, dass heute an manchen geschäftigen Tagen mehr Touristen in der Innenstadt von Brügge unterwegs sind als es Bewohner (20.000) im Innenstadtkern gibt.

Brügge

Die Heerscharen von Touristen stürmen nun täglich in die kleine Stadt, essen Waffeln, kaufen Schokolade und Klöppelspitze, unternehmen Bootstouren auf den Kanälen (Reien) oder Kutschfahrten und fotografieren sich gegenseitig vor sämtlichen Sehenswürdigkeiten der Stadt, allen voran im Beginenhof (obwohl man dort gar nicht überall fotografieren darf), vor und auf dem mächtigen Belfried, auf dem Groote Markt, vor dem Stadthuis, auf dem Rozenhoedkaai, vor der Liebfrauenkirche, in der die Madonna von Michelangelo zu bewundern ist – einfach überall.

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Auf der Bonifatius-Brücke findet dieses Spektakel seinen Höhepunkt! Obwohl diese Brücke eine der jüngsten von ganz Brügge ist (sie wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut), sieht sie super romantisch aus. Das finden vor allem Hochzeitspaare. Fast alle frisch Verheirateten lassen hier ihre Erinnerungsfotos schießen. Doch mit der Romantik ist es meiner Ansicht nach nicht weit her, denn ein Foto wie dieses zu erhaschen erfordert einiges an Geduld:

Bonifatiusbrücke Brügge

Und mich erinnert der rege Bootsverkehr unter der Brücke eher an ein Speed-Boot-Rennen als an eine romantische Tour. Vielleicht ist das ein Grund warum wir weder eine Boots-Tour noch eine Kutschfahrt in Brügge unternommen haben – einfach schon aus Prinzip!

Bonifatiusbrücke Brügge

Auf was ich allerdings doch nicht verzichten wollte und ein Muss für alle Brügge-Besucher: Belgische Waffeln! Für mich bitte mit Sahne und frischen Erdbeeren, auch wenn ich mich mit dieser Kombi sofort als Tourist oute – die Belgier genießen ihr Nationaldessert “plain”, also ohne alles. Aber wenn schon Kalorien, dann richtig. Außerdem ist diese Kombi meiner Meinung nach unschlagbar: Die frischen Erdbeeren übertünchen den für meinen Gaumen etwas zu süß-fettigen Eigengeschmack der Waffeln. 🙂

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Brügge ist ein Zoo, jedoch ohne Tauben

Das klingt komisch, ist aber so. Das mittelalterlich anmutende Städtchen tut alles dafür romantisch zu sein: Und so überrascht Brügge nicht nur mit zahlreichen Parks, die zu einem Picknick, zum Sonnenbaden, Relaxen oder Sporteln einladen, sondern auch mit einem Schaf-Park. Noch nicht einmal die meisten Brügger kennen den “Hof de Jonghe” mit seinen zwei Picknick-Bänken im nördlichen Teil der Stadt. Dennoch lohnt ein Abstecher hierher: An sonnigen Sommertagen teilt man sich die Ruhe und Abgeschiedenheit des kleinen Parks nämlich mit Schafen anstatt Touristen.

Hof de Jonghe Bruges

Wer von dem für Brügger Verhältnisse weiten Weg durstig geworden ist, findet ein paar Schritte weiter nördlich das Restaurant “Du Phare“. Auf der Sonnenterasse genießt man mit mehr Einheimischen als Touristen ein kühles belgisches Bier.

Um einiges offensichtlicher als die Schafe von Brügge sind die Schwäne, die angeblich seit 1488 schon auf den Reien unterwegs sind. Am besten lassen sich die Schwäne vor dem Beginenhof fotografieren. Mein Tipp: Nach 19 Uhr hier vorbei kommen. Denn dann sind in Brügge bereits alle Bordsteine hochgeklappt, die Tagesausflügler sind aus der Stadt verschwunden und die restlichen Touristen sitzen in einem der unzähligen Restaurants, um ihr Abendessen zu genießen.

Beginenhof Brügge

Und wieso gibt es nun keine Tauben in Brügge?

Bis vor ein paar Jahren wohnten einige Wanderfalken im Turm der Liebfrauenkirche. Und ratet mal, was ihre Leibspeise war?

Brügge hat also einiges mehr zu bieten als mittelalterliche Häuser, Boots- und Kutschfahrten. Meine belgische Liebe allerdings bleibt Gent. Das war mir nach ein paar Minuten schon klar. Denn in Brügge habe ich sie zum ersten Mal wieder gesehen: die Busse mit der Aufschrift “City Tour”…

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Einen Tipp für alle, die Brügge außerhalb des touristischen Kerns entdecken möchten, habe ich allerdings noch: Der östliche Stadtrand ist von einem schmalen Park begrenzt, den vier große Windmühlen schmücken – gemütlich und beeindruckend zugleich.

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In Brügge dreht sich alles um´s Essen

Über 50 Chocolatiers gibt es in der knapp 118.000-Einwohnerstadt. Damit ist Brügge die Stadt mit der höchsten Chocolatier-Dichte weltweit. Das Mitbringsel Nr. 1 lautet also Schokolade und das habe ich natürlich in meinem eigenen kleinen Schokoladengeschäft gekauft. 🙂

Stefs Chocolatier Brügge

Neben Schokolade ist Spitze der zweite Verkaufsrenner bei den Touristen. Zwei Vintage Läden allerdings habe ich entdeckt, in denen es mehr als geklöppelte Spitzenkleider gibt: “Madam Mim” und “Think Twice“. Im letztgenannten ist vor allem gutes Timing gefragt, denn im Fünf-Wochen-Rhythmus gibt es hier eine neue Kollektion, immer mit großzügigen Rabatten in den letzten zwei Wochen.

Belgisch Essen: Wer typisch belgische Küche genießen will, ist bei Nathalie und Kristof im “Pro Deo” genau richtig. Das junge Pärchen serviert große Portionen in liebevoll eingerichteter Atmosphäre.

Pro Deo Brügge

Spartipp: Im Bocca gibt es “Pasta in a box” zu fairen Preisen.  Gut, günstig und bei Einheimischen beliebt, da das kleine Restaurant ruhig in einer Seitenstraße (Dweersstraat) nahe der Sint-Salvatorskathedraal  gelegen ist. Um die Mittagszeit sollte man den Tipp allerdings meiden, denn auch viele Schüler kennen den günstigen Mittagssnack.

Schlafen wie ein Offizier

Und so begeben wir uns nach einem abwechslungsreichen Tag wieder außerhalb der Stadtmauern zu unserem schwimmenden Hotelzimmer. Hinter der einen Quadratmeter großen Rezeption befindet sich die Treppe, die uns in den ersten Stock (mehr gibt es nicht) auf die Ebene unserer Officers-Suite bringt. Mit dem als Anker geformten Zimmerschlüssel öffnen wir die Tür zu unserer kleinen Kajüte. Beim Öffnen steigt mir ein süßlich-modriger Geruch in die Nase.

Hotel De Barge Brügge

Das kleine Zimmer bietet alles, was man braucht: einen schmalen Eingangsbereich mit kleiner Ablageflache, einem runden Spiegel und ein eigenes Bad mit Toilette, Dusche und Waschbecken. Auf dem Bett erwartet uns allerdings kein Betthupferl, sondern zwei orange-leuchtende Schwimmwesten. Gute Nacht!

 

Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade „Die besten Tipps für Städtetrips“ des Jo Igele Reiseblogs teil.

 

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