(P)Roof of Africa: Summit Night am Kilimandscharo

Ich wache auf und habe keine Ahnung wie spät es ist. Draußen ist es ruhig. Das heißt es sind noch keine Gruppen in Aufbruchsstimmung. Es könnte also locker erst 21 oder 22 Uhr sein. Zwischen 19 und 20 Uhr sind wir in unsere Schlafsäcke gekrabbelt. Gefühlt liege ich 30 oder 40 Minuten wach, dann höre ich die Stimme von Ernest, wie er “Hello Jan, wake up” ruft. Es ist also doch schon nach Mitternacht und unser Guide ruft uns zum Gipfelsturm. Dafür, dass wir Mitteleuropäer über 4.000 Meter keinen erholsamen Schlaf mehr finden, konnten wir also doch vier oder fünf Stunden schlummern. Die Königsetappe gestern war anstrengend, sodass wir trotz unebenem Untergrund, minus 15 Grad Celsius und 4.600 Höhenmeter Schlaf gefunden haben.

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Das Schlafen hat also ganz gut geklappt. Das Aufstehen auch. Wir ziehen uns weiter an. Vor dem Schlafengehen habe ich mich bereits in Skiunterwäsche, Merinopullover und dicke Wollsocken gepackt, um nach dem Aufstehen schon möglichst gut vorbereitet zu sein. Außerdem ist mein Schlafsack bei minus 15 Grad nun auch an seine Grenzen gestoßen. Als wir bei tiefster Finsternis aus unserem Zelt krabbeln, trage ich fünf Schichten. Über mein Climawarm Techfit und meinen Merinopullover habe ich noch eine Fleece-Jacke und darüber meine zweischichtige Outdoor-Jacke gezogen. An den Beinen trage ich drei Schichten und unter den Wanderstiefeln zwei paar dicke Wollsocken. Mehr geht nicht. Ich hoffe, dass mein Zwiebelprinzip aufgeht. Auf dem Gipfel könnte es bis zu minus 20 Grad kalt sein.

Wir treffen uns mit Denic und Ernest in unserem Essenszelt. Es gibt heißen Tee und Kekse. Gegen 1 Uhr brechen wir auf. Langsam setzen wir uns in Bewegung. In völliger Finsternis sehe ich nur das, was sich direkt vor und hinter mir befindet und durch den Lichtkegel meiner Stirnlampe angestrahlt wird. Als wir das Barrafu Camp verlassen und sich der höchste Gipfel des Kilimandscharo-Massivs direkt vor uns befindet, erkenne ich weit entfernt Lichterketten, die sich den Berg entlangschlängeln. Das müssen die Gruppen sein, die bereits gegen 23 Uhr zum Gipfelsturm aufgebrochen sind.

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Im Zick-Zack-Lauf arbeiten wir uns Stück für Stück voran. Pole Pole! Wir laufen über Felsen und Lawa-Erde, die noch gefroren ist. Nach ca. einer halben Stunde überholen wir schon die erste größere Gruppe. Einer Person scheint es nicht gut zu gehen und die ganze Gruppe stockt. Das ist unser Vorteil: Wir sind nur zu zweit und können unser Tempo finden. Wir marschieren also an der Gruppe vorbei, immer im Gleichschritt, immer Pole, Pole.

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Ernest führt unsere Vierergruppe an. Hinter ihm laufe ich, dahinter Jan und am Ende Denic. Mein Blick haftet an den Schritten von Ernest und meine Füße setzen einen Schritt vor den anderen. Es geht ewig so weiter. Ab und an legen wir eine kurze Pause zum Trinken ein. Aber nicht oft. Ernest fordert uns stets auf weiterzugehen. Die Lichterketten, die wir bereits zum Aufbruch gesehen haben, befinden sich immer noch in großem Abstand vor uns. Es geht also noch ein endlos erscheinendes Stück weiter nach oben. Irgendwann kommt uns ein Mann plus Guide mit den Worten “I feel drunk” entgegen. Etwas später begegnen wir noch einer jungen Frau. Beide mussten umkehren. Die Höhenkrankheit kann also auch noch kurz vor dem Ziel zuschlagen. Uns geht es soweit gut. Wir machen kurz Pause, um unsere Energie mit Powerriegeln nachzuladen und gehen weiter.

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Irgendwann sagt Ernest “Halfway”. Wow. Also weiter, immer Pole, Pole. Jan schwächelt etwas. Er macht teils unkontrollierte Schritte und schwankt etwas am Ende der Zick-Zack-Kurven, die uns nun immer steiler Richtung Gipfel führen. Ich mache mir Sorgen und versuche Jan ständig abzufangen, weil ich Angst habe, dass er stürzt. In der Dunkelheit kann ich nicht erkennen, was direkt neben uns liegt. Aber es sieht so aus als würde es hinter uns ziemlich steil nach unten gehen. Schließlich kommt Denic nach vorne, zwischen Jan und mir und wir gehen weiter. Der Weg scheint kein Ende zu nehmen. Die anderen Lichterketten befinden sich immer noch in recht großem Abstand zu uns. Auch die Sonne macht keine Anzeichen endlich aufzugehen. Es ist stockfinster. Im Lichtkegel meiner Stirnlampe sehe ich nur die Schritte von Denic vor mir und Jan, wie er sich quält.

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Ich habe keine Ahnung wie spät es ist. Doch es ist zu spät, um umzukehren. Wir sind nun näher am Gipfel als am Camp. Wir spüren auch keine Anzeichen der Höhenkrankheit, nur Erschöpfung. Also gehen wir weiter im Zick-Zack bergauf.

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Schließlich geht irgendwann die Sonne auf. Ernest schnappt sich die Kamera und macht Fotos von uns, an die ich mich später nur noch schwer erinnern kann. Schräg unter uns ragt der Mawenzi, der zweithöchste Gipfel des Kilimandscharo-Massivs, aus den Wolken empor. Nun kann es nicht mehr weit sein. Doch das letzte Stück, das wir nun bei Tageslicht zurücklegen, zieht sich unendlich. Das Ziel nun stets vor Augen, bewegen wir uns langsam Schritt für Schritt noch weiter nach oben. Jan ist fast am Ende und auch ich will nun einfach nur noch ankommen.

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Zwischen 6 und 7 Uhr morgens erreichen wir schließlich den Stella-Point auf 5.795 Meter Höhe. Wir haben es geschafft. Wir sind auf dem Gipfel des Kilimandscharo angekommen und fallen uns in die Arme.

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Es ist ein unfassbares Gefühl nach nun fünf Tagen am Berg und einer kompletten Nachtwanderung auf Afrikas höchstem Berg zu stehen, auf fast 6.000 Meter Höhe. Es ist unglaublich, dass uns unsere eigenen Beine bis hier her gebracht haben. Trotz Regen, Hagel, Schnee und eisigen Temperaturen stehen wir nun an jenem grünen Schild, vor dem sich jährlich ca. 10.000 bis 15.000 Bergwanderer aus aller Welt fotografieren lassen und auch vor jenem Schild, das auch in dieser Nacht nicht alle Gipfelstürmer erreicht haben. Doch wir sind hier, wir haben es geschafft! Und schließlich lassen auch wir uns zusammen mit unseren Bergführern Ernest und Denic fotografieren.

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Im Hintergrund ist der Uhuru Peak zu sehen. Dort will ich hin, denn dort befindet sich der höchste Punkt des afrikanischen Kontinents.

Weiterlesen: Uhuru Peak – Zum höchsten Punkt Afrikas und zurück

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